Innovation Watch - Dilemma der Innovationsbewertung

Sturgeon’s Law: “Ninety percent of everything is crap.”

Theodore Sturgeon, US-amerikanischer Science Fiction-Autor

 

Die Innovationsaktivitäten in Unternehmen führen meist zu einer Vielzahl möglicher Innovationschancen und Ideen – mehr als Ressourcen zu deren Umsetzung zur Verfügung stehen. Viele Unternehmen tun sich aber mit der Bewertung von radikalen Innovationen schwer. Häufig werden Projekte gestoppt, die sich später als Schritt in die richtige Richtung erweisen. Auf der anderen Seite setzen Unternehmen oft auf teure Prestigeprojekte, die nicht selten floppen. Die Auswahl von Innovationsprojekten ist meist eher geprägt von politischen Machtstrukturen als von objektiver Bewertung. Die Innovationsbewertung dient daher eher der Teammotivation und Organisation von Ressourcen als einer objektiven Bewertung. Freeman & Soete schreiben in ihrem Buch The Economics of Industrial Innovation über die Innovationsbewertung: „Evaluation techniques and technological forecasting, like tribal war dances, play a very important part in mobilizing, energizing and organizing.“

 

Das Dilemma der Innovationsbewertung kann in Form einer Matrix dargestellt werden, wie sie in ähnlicher Form auch in der medizinischen Statistik genutzt wird (s. Abb.). Dabei wird einerseits nach dem Ergebnis der Innovationsbewertung (positiv oder negativ) und andererseits nach dem Eintreten des Innovationserfolgs unterschieden. Wenn das Verfahren zur Innovationsbewertung viele Innovationschancen richtig erkennt, spricht man von hoher Sensitivität des Verfahrens. Wenn es viele Innovationsflops richtig erkennt, spricht man von hoher Spezifität des Verfahrens. Eine Methode wie der Stage-Gate-Prozess mit seinen Go/Kill-Entscheidungen legt ihren Fokus zum Beispiel auf die Spezifität („Kill bad projects early!“). Das Problem dabei ist: Wenn man bei einem Verfahren die Spezifität („Innovationsflop erkannt“) erhöht, erhöht sich oft auch die Falsch-negativ-Rate. Somit werden Innovationschancen öfter verpasst. Umgekehrt erhöht sich bei Erhöhung der Sensitivität („Innovationschance erkannt“) oft auch die Falsch-positiv-Rate, d.h. es besteht die erhöhte Gefahr einem Innovationsflop aufzusitzen.

 

Dilemma der Innovationsbewertung
Dilemma der Innovationsbewertung

 

 

Der Innovationserfolg ist gemäß Sturgeon‘s Law (siehe obiges Zitat) eine äußerst selten auftretende Erscheinung. Somit besteht bei einer Fokussierung auf die Spezifität die Gefahr, keine Innovationsprojekte durchzuführen, da die wenigen positiven Projekte fälschlicherweise auch negativ bewertet werden („Paralyse durch Analyse“). Verschärft wird die Angelegenheit dadurch, dass die Daten zur Innovationsbewertung anfangs mit hoher Unsicherheit behaftet sind, die sich meist erst im Verlauf eines Innovationsprojektes verringert und dadurch die Bewertung verbessert. Generell sollten Unternehmen eher viele kleine radikale Innovationsprojekte starten, anstatt alles auf eine Karte zu setzen. Es kommt also auf ein ausgewogenes Innovationsportfolio an, um das Risiko zu streuen.

 

Da es eine Kristallkugel, mit der man die Zukunft vorhersagen kann, nicht gibt, ist es gerade bei radikalen Innovationen nicht sinnvoll, frühzeitig zu streng zu bewerten. In dieser Situation empfiehlt sich dann eine zweistufige Vorgehensweise: Erst eine Bewertung mit hoher Sensitivität durchführen unter Inkaufnahme einer hohen Falsch-positiv-Rate („Innovationsflop aufgesessen“). Im weiteren Verlauf der Innovationsvorhaben dann eine immer kritischere Bewertung mit hoher Spezifität, um die Falsch-positiv-Rate zu verringern und die knappen Ressourcen besser zu nutzen.

 

Fällt die erste Bewertung positiv aus, sollte vor der weiteren Bewertung nach der Devise “Experimentieren statt Analysieren“ verfahren werden. Es sollten möglich schnell Prototypen erarbeitet und potenziellen Kunden präsentiert werden, um die Erfolgsaussichten der Innovation besser zu verstehen. Dabei wird die Frage “Wird diese Innovation erfolgreich sein?” an jedem Meilenstein durch die Frage “Was bin ich bereit auszugeben, um den Wert der Innovation herauszufinden?” ersetzt. Man geht also eher vom leistbaren Verlust als vom möglicherweise erzielbaren Gewinn aus. So sagt auch der US-amerikanische Kreativitätsforscher Keith Sawyer in seinem Buch Group Genius: “The paradox is that innovation can´t be planned, it can´t be predicted; it has to be allowed to emerge.”

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