Innovation Watch - Kein Fortschrittspessimismus?

Beim Durchblättern der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Innovationsmanager fiel mir ein Artikel mit dem Titel "Fortschrittspessimistisch" auf. Er basiert auf einer Untersuchung von Dr. Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach. Ein wenig Internetrecherche - neudeutsch: "Googeln" - brachte dann noch einen Artikel aus der FAZ vom gleichen Autor hervor. Titel diesmal: "Kein Fortschrittspessimismus". Ja, was denn jetzt?

 

Bei genauerem Durchlesen stellt sich folgendes heraus: Es gibt beim Thema Fortschritt in Deutschland Grund zur Freude, aber auch zur Besorgnis.

 

Grund zur Freude

 

Grund zur Freude gibt es dewegen, weil der Höhepunkt der Fortschrittsfeindlichkeit in Deutschland überwunden zu sein scheint. In 2011 glauben etwa 40 % der Deutschen an den Fortschritt. Zwar ist das Niveau von 1970 mit 60 % noch nicht erreicht, aber der Glaube an den Fortschritt hat die Talsohle der 80er Jahre durchschritten und wächst stetig.

 

Ebenfalls Anlass zur Freude - zumindest für mich als Ingenieur - ist das Ergebnis, dass das Ansehen der Ingenieure und Naturwissenschaftler gestiegen ist. Von ihnen erwarten 53 % bzw. 51 % der Befragten, dass sie die wichtigsten Impulse für die Gestaltung unserer Zuklunft geben.

 

 

Grund zur Besorgnis

 

Leider offenbart die Befragung aber auch Schattenseiten. Ein Grund zur Besorgnis ist das fehlende Verständnis für die Bedürfnisse der Forschung. So finden nur 32 %, dass der Staat die Freiheit der Forschung schützen und nicht zu stark regulierend eingreifen sollte. Und nur 31 % meinen, dass es vom gesellschaftlichen Klima abhängt, ob die Gesellschaft offen für Forschung ist.

 

66 % sind dafür bestimmte Forschungen zu verbieten, nur 17 % sind dagegen. Es ist zwar kaum verwunderlich, dass 80 % das Klonen von Lebewesen, 49 % Gentechnik in der Landwirtschaft und ebenfalls 49 % Forschung an Embryonen ganz stoppen wollen. Aber dass über ein Drittel der Befragten die Forschung bei künstlicher Intelligenz sowie bei der Atomphysik ganz stoppen wollen, stimmt mich dann doch etwas mulmig. Und dass 36 % die Entwicklung der chemischen Schädlingsbekämpfung und 28 % die für neue Konservierungsmittel ganz stoppen würden, veranlasst den Autor zu folgendem Fazit: "Diese Zahlen kann man angesichts des Umstandes, dass zahllose Menschen dem Fortschritt auf diesen Gebieten seit dem frühen 19. Jahrhundert ihr Leben verdanken, nur als Zeichen eines verbreiteten Bildungsmangels deuten."

 

Zwar haben die Wissenschaftler in Deutschland ein hohes Ansehen, die Wissenschaft - inbesondere die Grundlagenforschung - aber nicht. Der Autor zititert in beiden Artikeln den Kernphysiker Heinz Maier-Leibnitz (1911 - 2000) mit dem Satz: "Wissen ist besser als Nichtwissen." Offenbar entscheidet sich die Gesellschaft oft für das Nichtwissen. Ob aus Angst vor der Forschung (Frankenstein lässt grüßen) oder aus Geringschätzung des Wissens sei einmal dahingestellt. Als Autor eines Blogs, der sich mit Wissen und Innovation beschäftigt, kann ich da nur sagen: Schade eigentlich!

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