Knowledge Watch - Verblendung

In der aktuellen Ausgabe der agora42 mit dem Titel „Risiko bleibt riskant“ schreibt Ariadne von Schirach über den gesellschaftlichen „Verblendungszusammenhang“, der uns glauben lässt, wir könnten gleichzeitig im gesellschaftlichen System mitspielen und uns unsere Unabhängigkeit bewahren: „Auf der einen Seite steht die völlige Bereitschaft, auf die aktuellen Deals einzugehen, was unter anderem bedeutet, Lebenszeit gegen Sicherheit zu tauschen, also beispielsweise x Jahr Jura- oder BWL-Studium gegen eine Jobgarantie. Auf der anderen Seite steht eine unreflektierte Hoffnung bezüglich der eigenen Auserwähltheit […].“ Mir sind spontan einige Bereiche eingefallen, in denen diese Verblendung anscheinende zum Tragen kommt:

Der Querdenker-Club, der als xing-Gruppe gestartet ist und dort derzeit fast 100.000 Mitglieder zählt (u.a. auch den Autor dieses Blogs), hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Erfolgsstory vorzuweisen. Mittlerweile gibt es u.a. Querdenker-Veranstaltungen in fast allen großen deutschen Städten, ein eigenes Querdenker-Magazin und einen Querdenker-Award. Ich frage mich immer, wo sind bei den vielen Querdenkern die ganzen Geradeausdenker abgeblieben?

 

Mein abendlicher TV-Seriengenuss wird durch die häufigen Werbeeinspielungen getrübt. Besonders aufgefallen ist mir dabei, die Werbung für die Partnervermittlungs-Website ElitePartner.de. Dort findet man „Akademiker und Singles mit Niveau“, wobei sich natürlich die Frage stellt, wie diese Anforderungen an die teilnehmenden Singles sichergestellt werden. Ich habe den Eindruck, dass meine Idee für ProllPartner.de, die Partnervermittlungs-Website für Schulabbrecher und Singles ohne Niveau, nicht annähernd so erfolgreich sein würde.

 

Eine Studie über den in den letzten Jahren vermehrt aufgetauchten „Wutbürger“, die auf Spiegel-online unter der Überschrift „Alt, stur, egoistisch“ vorgestellt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass sich der „Wutbürger“ zwar mehrheitlich zu den demokratischen Grundwerten bekennt und für mehr Demokratie in der politischen Entscheidungsfindung eintritt. Gleichzeitig ist aber nur ein geringer Anteil der „Wutbürger“ bereit, das Ergebnis einer Volksabstimmung anzuerkennen, auch wenn es nicht ihrer Meinung entspricht.

 

Meine Frage ist nun: Sind wir alles Querdenker mit Niveau, die die demokratische Meinung gepachtet haben?

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0