Innovation Watch - Innovationswiderstände

Der amerikanische Physiker Richard P. Feynman schildert in seinen Erinnerungen „Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!“, wie er bereits als Kind seinen erfinderischen Drang auslebte und ständig versuchte, neue Dinge zu entdecken oder alte Dinge zu verbessern. Dazu richtete er sich zu Hause sogar ein eigenes „Labor“ ein. Ein einschneidendes Erlebnis hatte er, als er in den Sommerferien im Hotel seiner Tante arbeitete. Er erfand alle möglichen Hilfsmittel, um die Arbeitsabläufe im Hotel zu verbessern, z.B. eine Vorrichtung, um grüne Bohnen effizienter zu schneiden. Aber alle seine Versuche wurden von der Chefin, seiner Tante, abgeschmettert, sodass er zu der ernüchternden Erkenntnis gelangte: „Da habe ich gelernt, dass in der wirklichen Welt Innovation etwas sehr schwieriges ist.“

 

Diese Episode bestätigt den Spruch von Professor Jürgen Meier von der Universität Basel: „Widerstand gegen jede Art von Veränderung ist die Fähigkeit, welche der Mensch am besten beherrscht.“ Oder etwas volkstümlicher: „Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.“ So kommt die Sylter Runde um Professor Norbert Szyperski in ihrem Memorandum „Integrative Innovation - Wie überwinden wir unsere Schwäche bei der Durchsetzung von Inventionen?“ für den Standort Deutschland zu dem Schluss: „Die Sylter Runde schätzt diese Widerstände in Deutschland als hoch ein, sodass trotz großem Innovationspotenzial der Erfolg der Deutschen beim Innovieren […] insgesamt nur als durchschnittlich angesehen werden kann.“ Insbesondere Deutschland scheint also ein Volk von Tüftlern und Perfektionisten zu sein, das es nicht mehr schafft, seine neuen Ideen als erfolgreiche Produkte auf den Markt zu bringen. Das machen dann andere (siehe z.B. MP3-Player).

 

Bisher wurde dem Thema Innovationswiderstände in der öffentlichen Diskussion um Innovation wenig Platz eingeräumt. Themen wie Ideengenerierung, Erfindergeist oder Innovationsmanagement haben dort Vorrang. Dies spiegelt sich auch in der Art und Weise wider, wie unterschiedliche Innovationsarten eingeteilt werden. Dazu gibt es die bekannte Innovationsmatrix mit den Achsen Technologie und Kundenbedürfnis. In dieser Darstellung ist dann eine Innovation, die mit alter Technologie alte Kundenbedürfnisse erfüllt, inkrementell, während eine Innovation, die mit neuer Technologie neue Kundenbedürfnisse erfüllt, radikal ist und „Breakthrough Innovation“ heißt. Und so streben alle in Richtung „Breakthrough“ und damit mit dem sprichwörtlichen Kopf gegen die Widerstands-Wand.

 

Aber vielleicht ist es an der Zeit, hier auch einmal den „ausgetrampelten Pfad“ zu verlassen. Denn wie der Buchautor Siegfried Wache richtig bemerkt: „Der geringste Widerstand bewegt sich auf ausgetretenen Pfaden.“ Um den Innovationswiderständen Rechnung zu tragen, bietet es sich an, die Innovationsarten nach dem Grad der Veränderung zu definieren. Auf die Weise kommt man zu folgenden drei Innovationsarten mit zunehmenden Widerständen (siehe Abbildung):

  • Produktverbesserungen sind inkrementelle Erneuerungen an bestehenden Produkten und das Erzeugen verbesserter Eigenschaften, in der Regel Leistungssteigerungen (z.B. 32 Fotos auf einem Film statt 16).
  • Produktinnovationen sind Innovationen auf Basis von neuen Technologien und/oder der Erfüllung neuer Kundenbedürfnisse, aber auf der Grundlage der bestehenden Infrastruktur. Sie sind also komplett neue Produkte wie z.B. Digital-Kamera statt herkömmlichem Fotoapparat.
  • Systeminnovationen sind neue Produkte, die zusätzlich eine neue Infrastruktur erfordern (z.B. Elektroauto oder Transrapid). Diese haben das Potenzial zu einer kompletten Veränderung der Gesellschaft und ziehen weitere Produktinnovationen nach sich, treffen aber auch auf den Widerstand der bestehenden verkrusteten Strukturen.

Diese Verschiebung der Perspektive erlaubt es uns nun, das Thema Innovationswiderstände genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu hat DABEI e.V. im Rahmen einer Umfrage ein Ranking der Innovationswiderstände ermittelt, die einem günstigen Innovationsklima in Deutschland entgegen stehen. Die Top 5-Widerstände sind Besitzstandswahrung, kurzfristiges Wirtschaften, Defizite der Bildungs-, Forschungs- und Transferpolitik, zu wenig Unternehmergeist sowie unflexible Organisation (Näheres zur Studie unter www.dabei-ev.de).

 

Dies ist natürlich nur ein erster Ansatz und bedarf der weiteren Ausarbeitung und Spezifizierung. Aber vielleicht ergibt sich durch die Beschäftigung mit den Innovationwiderständen endlich eine Möglichkeit, die deutsche Innovationsträgheit zu meistern. Der Knowledge Gorilla-Blog bleibt hier weiter am Ball. Denn Widerstände sind schließlich dazu da, überwunden zu werden…

 

DABEI-Innovationsarten
DABEI-Innovationsarten

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Kommentare: 1
  • #1

    Thomas Mallessa (Dienstag, 29 Juni 2010 16:42)

    Hallo Herr Dr.Deckert,

    zunächst einmal vielen Dank für Ihre Mail vom 29.06.2010.Dieses Thema erhält ganz sicher eine Erwähnung in meinem Businessblog.Aus gegebenen Anlass wäre der Bericht auch für die FIFA ein Thema.

    Weiterhin viel Erfolg und beste Grüsse
    Thomas Mallessa