Knowledge Watch - Die Kochprofis

Ich muss zu meiner Schande gestehen, ich schaue mir gerne die Kochprofis auf RTL II an.

 

Es liegt nicht daran, dass ich ein begeisterter Hobby-Koch bin und meine Familie gerne mit ausgefeilten Menüs der Haute Cuisine erfreuen möchte. Weit gefehlt. Meine Kochkünste sind eher bescheiden. Die Köche, denen die Kochprofis helfen, können alle ausnahmslos besser kochen als ich, obwohl ich mir in einigen krassen Fällen nicht so ganz sicher bin.

 

Es liegt auch nicht daran, dass mir Zacherl & Co. in ihren schlabbrigen Rock-T-Shirts, schön gegelten Frisuren und unrasierten Visagen nun besonders cool oder trendy erscheinen würden. Auch wenn ich ihren Sprüchen einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen kann.

 

Es liegt daran, dass man aus den Folgen als Unternehmensberater noch eine Menge lernen kann. Lassen Sie mich das kurz erläutern.

 

Eine typische Folge der Kochprofis beinhaltet immer die folgenden Schwachstellen bei dem zu rettenden Restaurant:

 

  1. Mangelndes Problembewusstsein
    Das Restaurant hat kaum Kundschaft und schreibt rote Zahlen. Es ist offensichtlich, dass den Kunden das Essen hier nicht schmeckt. Nach den geringen Kundenzahlen befragt, sagt der Koch: „Am Essen liegt´s nicht. Das schmeckt."
  2. Keine Bereitschaft zur Veränderung
    Die Kochprofis testen das Essen und finden es unter aller Sau. Um die Erläuterung seiner Kochgewohnheiten gebeten, die zu dem katastrophalen Testessen der Kochprofis geführt haben, antwortet der Koch: „Das habe ich schon immer so gekocht. Das schmeckt."
  3. Kein Leistungs-Feedback
    Bei der Beobachtung des Kochs durch die Kochprofis stellt sich heraus, dass er - neben vielen handwerklichen Fehlern - sein Essen nicht probiert, bevor es rausgeht. Die Begründung des Kochs lautet: „Ich probiere nicht. Ich koche nach Gefühl." Dies erinnert ein wenig an die Hausfrau in Loriots Sketch mit dem hartgekochten Ei.
  4. Zu hohe Komplexität
    Die Speisekarte ist seitenlang und enthält viel zu viele Gerichte aus den unterschiedlichsten Küchen dieser Welt. Der Koch ist damit heillos überfordert, und die Kühlräume quellen über vor Lebensmitteln. In seiner Not greift der Koch vermehrt auf Tiefkühlkost und Dosensuppen zurück, worunter die Essensqualität weiter leidet. Trotzdem begründet der Koch diesen „Bauchladen" an Gerichten wie folgt: „Unsere Kunden wollen das so. Wenn wir das nicht bieten, bleiben sie weg." Die Begründung ist umso erstaunlicher, als dass die Kunden ja bereits wegbleiben.
  5. Mangelnde Sauberkeit und Ordnung
    In der Küche sieht es aus wie bei Hempels hinterm Sofa. Es wird nicht ausreichend geputzt, die Lebensmittel werden nicht sachgerecht gelagert, das Geschirr ist nicht ordentlich gespült, es gibt zu wenig Töpfe und Pfannen, Kochgeräte funktionieren nicht. Der Koch vertraut der Kamera an: „Die Kochprofis sind ganz schön pingelig. So dreckig ist es nun auch wieder nicht."
  6. Lange Durchlaufzeiten
    Die Arbeitsabläufe in der Küche und im Gastraum sind dermaßen umständlich und kompliziert, dass die Gäste lange warten müssen und das Essen meist nicht mehr warm ist, wenn es den Gast schließlich erreicht. Dies liegt zu einem großen Teil an der mangelnden Abstimmung zwischen Küche und Gastraum, die sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuspielen.

 

Ersetzen Sie einfach Restaurant durch Unternehmen, Essen durch Produkt und Koch durch Mitarbeiter und Sie haben ein klassisches Beratungsproblem. Somit sind auch die Lösungsansätze die gleichen: Aufbau von Leidensdruck, Motivation zur Veränderung, Einrichtung von Regelkreisen, Fokussierung auf Kernkompetenzen, Programm für Sauberkeit und Ordnung in der Werkhalle sowie Verschlankung der Prozesse.

 

Die perfekte Abendunterhaltung für den Unternehmensberater.

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Kommentare: 2
  • #1

    Markus Selders (Freitag, 23 Oktober 2009 13:26)

    Dem kann ich mich nur anschließen. Sehr schön analysiert.
    Es gab ja auch schon eine Sendung, in der "Kochprofis" durch "Unternehmensberater" und "Restaurant" durch "Unternehmen" ersetzt wurde. Kabel1 hat sie allerdings "derzeit nicht im Programm".

    Viele Grüße

    Markus Selders

  • #2

    Carsten Deckert (Freitag, 23 Oktober 2009 15:30)

    Ja, ich weiß: Hagen hilft nicht mehr. Aber dafür gibt es ja jetzt Frau Dr. Lenz - Der große Firmen-Check, immer montags um 20:15 Uhr auf WDR. Das ist das gleich nur mit Frau. Mehr Infos unter http://www.wdr.de/tv/firmencheck/.
    Wofür zahl ich eigentlich GEZ-Gebühren?